Kleider ins Jenseits

Multimediale Ausstellung mit Video – Textil Installationen, Zeichungen und Modeshow.
Die Ausstellung umfasste Arbeiten aus den Jahren 2020 – 2023.

Eröffnungstext der Ausstellung von Brigitta Höpler:

Im Juli 2022 treffen wir einander im Café Siebenstern, nach langer Zeit wieder. Valerie erzählt von ihrer Witwenkollektion des letzten Jahres: my husband died and I sewed. Sie zeigt mir ein sommerliches, blaues Kleid, das sie für sich genäht hat. Sofort denke ich an „Das blaue Kleid“ von Doris Dörrie und erzähle Valerie von dem Buch. Es begleitet uns beide durch den Sommer, verbindet uns.

Alfred hat wirklich geglaubt, dass Kleider unser Leben verändern, dass unsere Verhüllungen unser Leben bestimmen. Am Ende war er nackt.
Auf japanisch, hat Alfred Florian erzählt, sei das Wort für Haut und Kleid identisch. 
(Doris Dörrie)

Weiß war die traditionelle Trauerfarbe in Japan, weiß ist das Kleid der Tanzenden, weiß ist der Brautschleier der Installation „the bride is crying“, ein persönlich choreographierter Totentanz mit Anklängen an den japanischen Butohtanz, eigentlich Ankoku Buto, deutsch Tanz der Finsternis. Die Künstlerin hat der Tanzenden, der Wütenden, der Trauernden ein Schutztier zur Seite gestellt, einen Lemur, ein Halbaffe mit dichtem, weichem Fell und langem Schwanz. Der Name ist wegen ihrer oft nächtlichen Lebensweise, ihrer großen Augen und damit markanten Gesichtern von den römischen Totengeistern Lemures inspiriert. Valerie wußte davon nicht, ich habe das erst bei meinen Recherchen zu diesem Text herausgefunden.

My husband died and I sewed. Die Erdenkleider, seine zweite Haut hat A. abgelegt. Aber seine Sakkos, seine Hemden, seine Farben, sie bleiben. Werden weiter gegeben, weiter getragen und künstlerisch verwandelt, festgehalten in der Installation „Jenseits“.

Valerie wiederum hat zahlreiche Kleidungsstücke genäht, um sich zu trösten, zu ordnen, zu beruhigen, sich eine neue Haut zuzulegen. All diese feinen und wortlosen Prozesse – das Entkleiden, das Ablegen, das Aneignen, das Verwandeln, das Einkleiden verdichten sich im Titel Kleider ins Jenseits.

Das Blau des Kleides fällt über sie wie ein Stück Himmel
, noch einmal Doris Dörrie.

Witwenkleider. Das klingt zuerst einmal schwarz, grau, düster. Nicht wie umhüllender Himmel, rotes Blühen, pinkfarbenes Zarten, verschlungenes Wachsen, silbernes Sternen. Nicht wie bunte, ornamentale Stoffe, aus denen Valeries Kollektion genäht ist. Ein erstes Verlieben in ein Muster, in Farben. Ein Rechteck Stoff, wie eine Leinwand. Dem Schnittmuster folgend eine Form schneiden, vernähen. Heraus kommt ein Kleidungsstück, dass sich anziehen lässt, auf den Körper passt.

Sich kleiden, sich verkleiden, in eine Vulkanfrau, eine tanzende Königin, eine haussprengende Frau.

Quellen:Elfriede Gerstl, Kleiderflug, Texte-Textilien-Wohnen, Edition Splitter, Wien 1995
Doris Dörrie, Das blaue Kleid, Diogenes, Zürich 2002